Immunonutrition: Die Abwehrkräfte gegen COVID-19 natürlich stärken

Gebhardt, P. (2020). Immunonutrition: Die Abwehrkräfte gegen COVID-19 natürlich stärken. OM & Ernährung, 173, F73 – F78.

Als Quelle konzentrierter Nährstoffe können Nahrungsergänzungsmittel dazu beitragen, den Körper mit Mikronährstoffen zu versorgen, die für die Funktion unseres Stoffwechsels wichtig sind. In unserer Nahrung sind diese Stoffe oft nicht in optimalen Mengen enthalten. Verschiedene Vitamine und Spurenelemente sind auch für unser Immunsystem und die Prävention und Therapie von Infektionskrankheiten von besonderer Bedeutung. Sie können die Abwehrkräfte stärken und die Regeneration unterstützen. Wenn eine medikamentöse Therapie erforderlich wird, können Mikronährstoffe dazu beitragen, im Rahmen einer komplementären Behandlung die Krankheitsdauer zu verkürzen und die Erkrankungsschwere zu mildern. Seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie wurden bereits zahlreiche Studien veröffentlicht, die deutlich positive Effekte einer Supplementation aufzeigen. Da Mikronährstoffe natürlich in unseren Nahrungsmitteln und in unserem Körper vorkommen, ist das Risiko von unerwünschten Wirkungen dabei vergleichsweise gering.

Die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Atemwegserkrankung COVID-19 wurde im Dezember 2019 zuerst in der chinesischen Stadt Wuhan beobachtet und löste danach die weltweite COVID-19-Pandemie aus. In der Regel wird das Virus durch Tröpfchen und Aerosole übertragen, jedoch ist auch eine Übertragung durch Schmierinfektion wahrscheinlich. Die Schwere der Symptome ist bei den Erkrankten äußerst variant. Es wurden Erkrankte beobachtet, bei denen lediglich milde oder gar keine Beschwerden auftraten. Auf der anderen Seite müssen manche Betroffene stationär behandelt und eventuell beatmet werden. Die Sterblichkeit steigt dabei mit zunehmendem Alter an. 85% der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren demnach 70 Jahre alt oder älter. (1) Eine bedeutende Rolle spielt bei einem schweren Erkrankungsverlauf auch die Reaktion des eigenen Immunsystems. Es kommt zu einer übermäßigen Abwehrreaktion, bei der gefährliche Mengen entzündungsfördernder Zytokine freigesetzt werden, ein sog. Zytokinsturm. Durch die Botenstoffe werden weitere Immunzellen aktiviert, sodass ein sich selbst verstärkender Krisenzustand entsteht, bei der kranke Zellen und gesundes Lungengewebe gleichermaßen angegriffen werden.

Eine COVID-19-Erkrankung äußert sich anfangs durch leichte Symptome wie erhöhte Temperatur, Husten und Kopfschmerzen. Es kann zu einer übermäßigen Immunreaktion kommen, bei der Immunzellen durch entzündungsfördernde Botenstoffe, sog. Zytokine, derart aktiviert werden, dass eine Entzündungsreaktion entsteht, die bis zu einem Lungenversagen voranschreiten kann.

Im Gegensatz zu Bakterien lässt sich eine Virusinfektion medikamentös nur schwer behandeln. Viren besitzen keinen eigenen Stoffwechsel. Sie nutzen für ihre Vermehrung stets den Stoffwechsel der Wirtszellen, die sie infizieren. Es wurden verschiedene Virustatika entwickelt, die den Stoffwechsel der Wirtszelle beeinflussen und deshalb oft erhebliche Nebenwirkungen aufweisen. Antibiotische Medikamente, die sich gegen bestimmte Stoffwechseleigenschaften richten, die nur Bakterien aufweisen, können allenfalls eingesetzt werden, um bakterielle Sekundärinfektionen zu therapieren. Die eigentliche Viruserkrankung wird meist nur symptomatisch behandelt, während das eigene Immunsystem die Erreger bekämpft. Zur Unterstützung der Funktion des Immunsystems können jedoch bestimmte Mikronährstoffe eingesetzt werden. Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie natürlich im Körper vorkommen und normalerweise keine Nebenwirkungen verursachen.

Vitamin D

Vitamin D wird durch den UV-B-Anteil der Sonnenstrahlen in der Haut gebildet. Entgegen einer oft publizierten Meinung ist in den Breitengraden Deutschlands jedoch von Oktober bis März keine Vitamin D-Bildung durch das Licht der Sonne in der Haut möglich, da die Strahlung zu flach auf die Erdoberfläche auftrifft und der relevante UV-B-Anteil durch den längeren Weg durch die Atmosphäre absorbiert wird. (2)

Die ultraviolette Strahlung wird durch Ozonschicht und Atmosphäre absorbiert. Die hoch energetische UV-C-Strahlung wird vollständig absorbiert. Die energiereiche UV-B-Strahlung wird zu etwa 90% absorbiert, während UV-A-Strahlung und das sichtbare Licht nahezu ungefiltert die Erdoberfläche erreichen. In unseren Breitengraden wird die für die Vitamin D-Bildung relevante UVB-Strahlung im Winter fast vollständig absorbiert. Eine Vitamin D-Bildung durch Sonnenexposition der Haut ist deshalb nur von April bis September möglich.

Im Vergleich zur kalten Jahreszeit werden in den Sommermonaten deshalb meist höhere Vitamin D-Spiegel gemessen. Jedoch tragen wir auch in den Sommermonaten zu einer unzureichenden Versorgung bei, indem wir viel Zeit in Gebäuden verbringen, zu viel Kleidung tragen und Sonnenschutzcreme verwenden. Die Menge an Vitamin D, die wir mit der Nahrung zuführen, reicht nicht aus, um die Vitamin D-Versorgung in nennenswertem Ausmaß zu beeinflussen. Ein Vitamin D-Mangel ist deshalb weit verbreitet. (3)

Im Zuge der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) veröffentlichte das Robert-Koch-Institut die Auswertung von fast 7.000 Teilnehmerdaten. Dabei zeigte sich bei fast 90% der Studienteilnehmer eine unzureichende bis mangelhafte Vitamin D-Versorgung von < 30 ng/ml.

Besonders verbreitet ist ein Vitamin D-Mangel demnach bei älteren Menschen, da die Synthesekapazität der Haut mit zunehmendem Alter abnimmt.  Es konnte aufgezeigt werden, dass bei gleicher UV-Exposition, bei 62-Jährigen und Älteren nur noch etwa 30% der Menge an Vitamin D in der Haut gebildet wird, im Vergleich zu 30-Jährigen und Jüngeren. (4) Bei betagten Menschen kommen gefährlich niedrige Vitamin D-Spiegel deshalb besonders häufig vor. So konnten bei der Messung der Vitamin D-Spiegel von 1.578 Patienten einer geriatrischen Rehabilitationsklinik in Trier bei zwei Dritteln der Studienteilnehmer Werte von < 10 ng/ml gemessen werden. (5) Gerade in dieser Altersgruppe fordert COVID-19 die meisten Todesopfer. (1) Für eine normale Funktion des Immunsystems ist eine ausreichende Vitamin D-Versorgung unbedingt erforderlich. Ein Mangel schwächt unser Immunsystem gegenüber Pathogenen, fördert eine proinflammatorischen Stoffwechsellage und trägt zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen bei. (6)

Durch Sonne in der Haut gebildetes Vitamin D3 wird ebenso wie das mit der Nahrung zugeführte Vitamin in der Leber zu 25(OH)D3 umgewandelt. Vor allem in den Nieren wird daraus die eigentliche Wirkform Calcitriol synthetisiert, die die Funktion des Immunsystems in vielfältiger Weise beeinflusst. Vitamin D reguliert die Bildung von T-Helferzellen und fördert die Differenzierung von Immunzellen wie Makrophagen und die Bildung körpereigener Antibiotika wie den Cathelicidinen.

Vitamin D normalisiert die Bildung von Th1-Helferzellen, die sowohl bei Patienten mit Autoimmun-Erkrankungen als auch bei, an COVID-19-Erkrankten als ursächlich für die Erkrankungsprogression diskutiert werden. (6, 7) Vitamin D fördert die Bildung von Th2-Helferzellen und regulatorischen T-Zellen, die die übermäßige Aktivierung des Immunsystems unterdrücken und eine angemessene Selbsttoleranz ermöglichen.

Vitamin D ist eine Voraussetzung für eine ausgeglichene Bildung von T-Helferzellen, die Immunreaktionen steuern. Bei einem Vitamin D-Mangel kommt es zu einer übermäßigen Bildung von Th1-Helferzellen, wodurch Entzündungsprozesse in einem unangemessenen Verhältnis gefördert werden. Vitamin D ist erforderlich, damit ebenfalls Th2-Helferzellen und regulatorische T-Zellen (Treg) in ausreichendem Maße gebildet werden können, sodass eine koordinierte Immunreaktion erfolgen kann.

Bei höheren Vitamin D-Spiegeln treten COVID-19-Infektionen nicht nur weniger häufig auf. Auch das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs korreliert deutlich invers mit der Vitamin D-Versorgung. (8, 9) Es konnte bereits aufgezeigt werden, dass eine zusätzliche, komplementäre Gabe von Vitamin D den Erkrankungsverlauf von hospitalisierten COVID-19-Patienten in deutlich günstiger Weise beeinflussen kann. In einer klinischen Untersuchung musste von 50 Patienten, die zusätzlich Vitamin D erhielten lediglich ein Patient (2%) intensivmedizinisch behandelt werden. Dagegen war eine solche Behandlung bei 13 von 26 Patienten (50%) aus der Kontrollgruppe erforderlich, die kein Vitamin D erhielt. (10)

Wie sollte Vitamin D dosiert werden?

Zur Bestimmung der Vitamin D-Versorgung kann der Spiegel der Speicherform Calcidiol (25(OH)Vitamin D3) im Blut gemessen werden. Ein Vitamin-D-Status im Bereich von 30 bis 50 ng/ml wird als empfehlenswert für eine optimale Gesundheit angesehen. (11) Oft wird der Vitamin D-Spiegel auch in nmol/l angegeben. Ein Wert von 30 ng/ml entspricht einem Wert von 75 nmol/l (30 ng/ml x 2,5 = 75 nmol/l).

Ein Vitamin D-Status von mindestens 30 ng/ml ist demnach mit einer deutlich höheren Überlebenswahrscheinlichkeit von hospitalisierten COVID-19-Patienten assoziiert. Die Sterblichkeit war in dieser Studie bei einem Vitamin D-Spiegel von < 30 ng/ml um einen Faktor von mehr als drei erhöht. (Diese Untersuchung spiegelt Daten von Patienten wider, die bereits wegen eines schweren Krankheitsverlaufs behandelt wurden. Die Abbildung stellt die Erkrankung deshalb womöglich gefährlicher dar, als sie an sich ist.) (12)

Vitamin D wird durch die UV-B-Strahlung des Sonnenlichts in der Haut gebildet. Demnach können durch Bestrahlung von 20% der Körperoberfläche mit der Hälfte der minimalen Erythemdosis, also der halben Menge an Sonnenlicht, ab der sich die Haut rötet, etwa 1.400 – 2.000 I.E. an Vitamin D gebildet werden. (4) Der Vitamin D-Spiegel, der aus einer täglichen Aufnahme von 2.000 I.E. Vitamin D resultiert lässt sich leicht berechnen, indem die Menge durch das Körpergewicht geteilt wird. Ein 70 kg schwerer Erwachsener würde durch die tägliche Zufuhr von 2.000 I.E. Vitamin D3 langfristig einen Blutspiegel im Bereich von 30 ng/ml erreichen (2000 I.E. / 70 kg = 28,6 ng). Das fettlösliche Vitamin D wird bei übergewichtigen Menschen vermehrt in das Fettgewebe eingelagert, sodass eine vermehrte Sonnenexposition bzw. eine Supplementation höherer Dosen erforderlich sein kann. (13)

Der Vitamin D-Gehalt der Nahrung ist im Allgemeinen gering und kann bei der Berechnung vernachlässigt werden. Vitamin D weist eine günstige therapeutische Breite auf. Bei der Bestimmung der Vitamin D-Spiegel in einer Studienpopulation von 93 Erwachsenen, mit einer selbstberichteten wöchentlichen Sonnenexposition von etwa 30 Stunden wurde ein durchschnittlicher Wert von 31,6 ng/ml bestimmt. Der höchste, in dieser Studie gemessene Spiegel lag bei 62 ng/ml, weshalb dieser Wert für die Einschätzung einer Obergrenze vorgeschlagen wurde. (14) Um einen Vitamin D-Siegel von 60 ng/ml zu erreichen, müsste ein Erwachsener mit einem Körpergewicht von 70 kg täglich etwa 4.200 I.E. Vitamin D3 (70 kg x 60 ng/ml) supplementieren. Eine tägliche Zufuhr von 4.000 I.E. wird ebenfalls von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als Tolerable Upper Intake Level (tolerierbare obere Einnahmemenge) angesehen. Dagegen wurden negative Gesundheitseffekte durch überhöhte Blutcalciumwerte erst bei Blutspiegeln von 150 bis 200 ng/ml beschrieben. (15) Bei ausreichender UV-Exposition ist es möglich, Vitamin D-Spiegel im Bereich von 60 ng/ml auf natürliche Weise zu erreichen. So können in sonnigen Gegenden durchaus 25(OH)Vitamin D3-Werte zwischen 40 und 65 ng/ml gemessen werden.

In sonnigen Gegenden entstehen Vitamin D-Spiegel im Bereich von 40 – 65 ng/ml auf natürliche Weise. (16)

Vitamin A

Vitamin A trägt zu einem normalen Zellwachstum der Epithelzellen der Haut, der Atemwege und des Verdauungssystems bei. Es spielt eine wichtige Rolle für die Barrierefunktion der Schleimhäute. Daneben ist Vitamin A in den Reifeprozess von T-Helferzellen und B-Lymphozyten involviert. Ein Vitamin A-Mangel beeinträchtigt die durch Antikörper vermittelte Reaktion von T-Helferzellen und erhöht die Empfindlichkeit des Schleimhautepithels gegenüber Pathogenen. Bei Viruserkrankungen wie den Masern geht eine unzureichende Versorgung mit einer erhöhten Komplikationsrate einher. (17) In Deutschland erreichen 15% der Männer und 10% der Frauen nicht die empfohlene Vitamin A-Zufuhr, wie aus Daten der Nationalen Verzehrsstudie II hervorgeht (18). Da Alkohol die Aufnahme, Speicherung und Mobilisierung von Vitamin A in ungünstiger Weise beeinflusst, kann regelmäßiges Trinken eine Vitamin A-Unterversorgung begünstigen.

Vitamin C

Vitamin C (Ascorbinsäure) bildet einen essentiellen Cofaktor bei der Kollagensynthese. Ein gravierender Mangel führt innerhalb von wenigen Monaten zu der Vitaminmangelerkrankung Skorbut. Ascorbinsäure ist zudem in den Hormon- und Neurotransmitterstoffwechsel involviert und wird mit Vitaminen aus der B-Gruppe für die Bildung von L-Carnitin benötigt, das langkettige Fettsäuren zur Energiebildung in die Mitochondrien transportiert. Als wasserlösliches Antioxidans trägt Vitamin C dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen. Für die Funktion des Immunsystems ist dies von besonderer Bedeutung, da hohe Konzentrationen in Immunzellen wie Leukozyten benötigt werden, um einer oxidativen Selbstschädigung entgegenzuwirken. Eine Vitamin C-Unterversorgung äußert sich in Müdigkeit, Leistungsschwäche, Infektanfälligkeit und schlechter Wundheilung. Aufgrund des erhöhten Bedarfs sinken die Vitamin C-Konzentrationen in Serum und Immunzellen während eines akuten Infektionsgeschehens deutlich ab. Als i.V.-Hochdosis-Therapie wird Ascorbinsäure zur komplementären Behandlung von COVID-19-Patienten eingesetzt. Es wird von einer signifikant reduzierten Sterblichkeit sowie einer Verkürzung des Krankenhausaufenthalts berichtet. (19) Nach einer Übersichtsarbeit von Hemilä et al. (2019) können auch orale Vitamin C-Dosen, im Bereich von täglich 1 – 3 g, den Erkrankungsverlauf von Intensivpatienten in deutlich günstiger Weise beeinflussen. Demnach kann Ascorbinsäure die Dauer mechanischer Beatmung bzw. die Dauer einer intensivmedizinischen Behandlung deutlich reduzieren. (20)

Zink

Auch das Spurenelement Zink ist von essentieller Bedeutung für die Zellteilung und die Widerstandsfähigkeit der Schleimhäute gegenüber Pathogenen. Die empfohlenen Zufuhrmengen liegen im Bereich von 8 mg für Frauen bzw. 14 mg für Männer und sind vom Phytatgehalt der Nahrung abhängig. Phytate sind in Hülsenfrüchten und Getreide enthalten und können die Aufnahme von Zink hemmen. Nach Daten der Nationalen Verzehrsstudie II werden die empfohlenen Zufuhrmengen von einem bedeutenden Teil der Bevölkerung nicht erreicht (18). Zink kann jedoch die Funktion des Immunsystems in deutlich günstiger Weise beeinflussen. Mit steigendem Alter werden zunehmend höhere Konzentrationen von Entzündungsmarkern gemessen. Es kommt vermehrt zu subklinischen Entzündungen („Inflammaging“), mit einer chronischen Aktivierung des angeborenen Immunsystems. Es konnte herausgestellt werden, dass eine tägliche Supplementation von 10 mg Zink bei Studienteilnehmern im Alter zwischen 65 und 82 Jahren mit einer verringerten Cytokinausschüttung einhergeht und zu einer verbesserten Kontrolle der Immunantwort beiträgt. In der Folge kommt es zu einer verminderten unspezifischen Aktivierung von T-Zellen, während sich die T-Zell-Antwort gegenüber Stimulation mit Antigenen verbessert. Zink wirkt einer proinflammatorischen Stoffwechsellage entgegen. Eine Zinksupplementation führt jedoch nicht zu einer generellen Hemmung der Immunantwort, wie dies bei bestimmten antientzündlichen Pharmakotherapien der Fall ist. Zink verbessert die Immunreaktion gegenüber Pathogenen und verringert die Inzidenz von Infekten. (21) Bei akuten Infektionserkrankungen könnte die kurzfristige Supplementation höherer Dosen (im Bereich von 75 mg) Zink, in Form von Lutschtabletten sinnvoll sein. Es konnte eine deutliche Verringerung der Erkrankungsdauer aufgezeigt werden. (22)

Selen

Als Selenocystein im aktiven Zentrum des Enzyms Glutathionperoxidase spielt das essentielle Spurenelement Selen eine zentrale Rolle bei der Entgiftung von Peroxid. Dies ist von entscheidender Bedeutung um die Schäden zu begrenzen, die durch Sauerstoffradikale verursacht werden, die im Zuge der Immunreaktion von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen gebildet werden, um Krankheitserreger oxidativ zu zerstören.

Selen spielt eine zentrale Rolle bei der Entgiftung von Peroxid. Im Stoffwechsel entstehende Superoxidradikale werden durch zink- und manganabhängige Superoxiddismutasen in Wasserstoffperoxid (H2O2) umgewandelt. Dieses wird durch das selenabhängige Enzym Glutathionperoxidase zu Wasser abgebaut. Reduziertes Glutathion wird dabei oxidiert. Oxidiertes Glutathion kann durch das riboflavinabhängige Enzym Glutathionreduktase reduziert werden. Hohe Peroxid-Konzentrationen sind vor allem deshalb gefährlich, da durch die eisenabhängige Fenton-Reaktion Hydroxylradikale entstehen können. Hydroxylradikale oxidieren Lipide und tragen in erheblichem Ausmaß zur Entstehung von Membranschäden bei.

Von den D-A-CH-Fachgesellschaften wird eine tägliche Selenzufuhr von 60 µg für Frauen, 70 µg für Männer und 75 µg für Stillende empfohlen. Die mit der Nahrung aufgenommenen Selenmengen in Europa sind jedoch gering. In Deutschland werden sie im Bereich von 38 µg (Frauen) bzw. 47 µg (Männer) eingeschätzt. (23) Ein hohes Risiko einer unzureichenden Versorgung besteht bei vegetarischer bzw. veganer Ernährung, da etwa zwei Drittel der durchschnittlichen Selenaufnahme mit tierischen Nahrungsmitteln zugeführt wird. Der Selengehalt entsprechender Lebensmittel ist jedoch schwankend und vom Gehalt der eingesetzten Futtermittel abhängig.

Normalerweise enthalten pflanzliche Nahrungsmittel lediglich geringe Mengen Selen. Tierische Lebensmittel liefern 70% der Selenversorgung von Frauen und Männern in Deutschland. Im Bereich der Tierzucht wird auf eine häufige Unterversorgung hingewiesen. Demnach weisen 38% der Rinder in Deutschland einen Selenmangel auf. (24) Im Vergleich zu den USA ist die Selenzufuhr mit der Nahrung in Europa deutlich geringer. (25) Aus diesem Grund werden in Finnland Düngemittel mit Selen angereichert. Risikogruppen für einen Selenmangel sind vor allem ältere Menschen, Vegetarier, Veganer und Menschen unter kalorienreduzierter Ernährung.

Es konnte gezeigt werden, dass Selenspiegel im Bereich von 100 – 130 µg/l (entsprechend 125 – 163 µg/l bei Vollblutbestimmung) eine optimale Funktion des Enzyms Glutathionperoxidase benötigt werden. Normalerweise werden jedoch lediglich Spiegel zwischen 60 – 80 µg/l (entsprechend 75 – 100 µg/l bei Vollblutbestimmung) gemessen. Zur Optimierung der antioxidativen Kapazität sind demnach höhere Dosen von täglich 200 – 300 µg Selen (als Natriumselenit) erforderlich. (26) Der Selenstatus schein mit dem Verlauf einer COVID-19-Erkrankung in einem inversen Zusammenhang zu stehen. Das Spurenelement wird deshalb zur Behandlung der Erkrankung empfohlen. (27)

Coenzym Q10

Als Elektronenüberträger in der mitochondrialen Atmungskette spielt Coenzym Q10 eine wichtige Rolle für die Energiebildung in unseren Zellen. Daneben bildet es ein starkes fettlösliches Antioxidans, das sich in zellulären und mitochondrialen Membranstrukturen anreichert und diese vor oxidativen Schäden schützt. Coenzym Q10 kann andere Antioxidantien wie Vitamin C und Vitamin E regenerieren, die dadurch ebenfalls vermehrt freie Radikale abfangen können. Dadurch kann das Coenzym sowohl in direkter als auch in indirekter Weise zum Schutz körpereigener Strukturen gegenüber Sauerstoffradikalen beitragen. Besonders hohe Konzentrationen des Coenzyms finden sich in Geweben mit hoher Stoffwechselaktivität bzw. hohem Energieverbrauch, wie Herz-, Nieren-, Leber- und Muskelgewebe. Die endogene (körpereigene) Synthese nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab. In der Folge entstehen vermehrt oxidative Schäden, die durch entsprechende Marker nachgewiesen werden können.

Coenzym Q10 wird vom Körper selbst gebildet, so dass es nicht unter die Definition eines Vitamins fällt. Mit zunehmendem Alter kommt es jedoch zu einer, in verschiedenen Geweben unterschiedlich ausgeprägten Abnahme der Spiegel. Am deutlichsten zeigt sich dies im Herzmuskelgewebe. Im Alter von 40 Jahren konnten noch 68% der Konzentrationen gemessen werden, die im Alter von 20 Jahren gemessen wurden. Bei einem Alter von 80 Jahren wurden Werte von lediglich 43% gemessen. (28)

Eine Coenzym Q10-Supplementation kann die oxidative Belastung reduzieren und die mitochondriale Energiebildung verbessern. Daneben hat Coenzym Q10 eine anti-inflammatorische Wirkung. Es konnte eine signifikante Reduktion der Entzündungsmarker CRP, IL-6 und TNF-α aufgezeigt werden. (29) Bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie kann Coenzym Q10 den Erkrankungsverlauf in deutlich positiver Weise beeinflussen. Eine Supplementation verringert demnach die Zeit in einem klinisch nicht stabilen Zustand sowie die durchschnittliche Zeit des Klinikaufenthalts. (30)

141 Patienten im Alter von > 60 Jahren mit ambulant erworbener Pneumonie wurden im Krankenhaus mit Antibiotika behandelt und erhielten zusätzlich täglich 200 mg Coenzym Q10 oder ein Placebo. Die Teilnehmer der Q10-Gruppe erreichten deutlich schneller einen klinisch stabilen Zustand und verbrachten durchschnittlich weniger Tage im Krankenhaus.

Auf der anderen Seite kann Coenzym Q10 zu einer Verbesserung der Impfantwort beitragen. Es konnte gezeigt werden, dass eine Supplementation den Antikörpertiter nach einer Impfung in einer Dosis-abhängigen Weise erhöht, ohne dass dabei unerwünschte Nebenwirkungen beobachtet wurden. (31)

Die Supplementation von täglich 90 bzw. 180 mg Coenzym Q10 zwei Wochen vor bis 90 Tage nach einer Hepatitis B-Impfung verbessert die Impfantwort signifikant.

Fazit

In Deutschland ist eine unzureichende Versorgung mit immunrelevanten Mikronährstoffen weit verbreitet. Dies trifft in besonderer Weise auf ältere Menschen zu, bei denen ebenfalls ein schwerer Erkrankungsverlauf von COVID-19 häufiger beobachtet wird. Eine Supplementation kann zu einer Optimierung der Funktion des Immunsystems beitragen. Es konnte aufgezeigt werden, dass bestimmte Mikronährstoffe einer übermäßigen Immunreaktion entgegenwirken und die Abwehrrektion gegenüber Pathogenen verbessern können. Im Vergleich mit Pharmakotherapien, die teilweise mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet sind, bieten sich Mikronährstoffe zur Prävention und (komplementären) Therapie deshalb besonders an.

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